Digitalisierung: Die Einführung von Home Office ist noch längst keine Digitalisierungsstrategie

Digitalisierung: Definition, Vorgehensweise, Vorteile

Bei der Digitalisierung von Unternehmensprozessen geht es unter anderem darum, Arbeitnehmer von wiederkehrenden Aufgaben zu entlasten und ihnen mehr Zeit für Strategisches oder Kreatives zu verschaffen. Dann geht die Digitalisierung mit entscheidenden Vorteilen einher, nämlich mit schnelleren Prozessen und mit ei­nem gesteigerten Innovationspotenzial. Ziel erreicht.  

Das ist aber nicht der Fall, wenn die Digitalisierungsstrategie eines Unternehmens einzig und allein darin besteht, Arbeitnehmer dauerhaft ins Home Office zu schicken, wie es derzeit viele Unternehmen zwangsläufig umgesetzt haben und für die Zukunft dauerhaft planen. Wir nennen Ihnen drei Gründe, was aus unserer Sicht zu beachten ist.

#1 Digitalisierung setzt den Einsatz von Software voraus, aber der richtigen

Laut des „Digitalisierungsindex Mittelstand 2020/2021“ haben viele Unternehmen in den letzten Monaten in digitaler Hinsicht aufgeholt und während des ersten Lockdowns vor allem in digitale Kanäle und soziale Netzwerke investiert, um online miteinander kommunizieren oder Beratungsleistungen im Netz anbieten zu können. Damit stieg der allgemeine Digitalisierungsindex leicht an – um zwei Zähler auf 58 von 100 möglichen Punkten.

Was wir derzeit allerdings mit Verwunderung beobachten: Auf dieser Basis verkündet derzeit ein Arbeit­geber nach dem anderen, bald nur noch virtuell arbeiten zu wollen und feiert diesen Schritt als Eintritt ins Digitalzeitalter. Doch Digitalisierung ist etwas vollkommen anderes, als ein paar Kommunikationstools anzuschaffen und Mit­ar­bei­ter ins Home Office zu schicken. Sie setzt eigentlich die Anschaffung von Spezialsoftwarelösungen für Fachabteilungen voraus, die diese leistungsfähiger machen. Dieser Punkt steht allerdings nach wie vor nicht so weit oben auf der Digitalisierungsagenda vieler Firmen.

Das kann zu folgenden Szenarien führen: In hochspezifischen Bereichen wie dem Controlling könnte zum Beispiel künftig statt mit einer dedizierten Finanz-Software weiterhin mit ei­nem herkömmlichen Tabellenkalkulationsprogramm gearbeitet werden. Mit dem Unterschied, dass man statt im Büro in den eigenen vier Wänden sitzt. Wer das als gelungene Digitalisierung feiert, versteht grundlegend etwas falsch. Denn so werden weder Effizienz noch Innovationsfähigkeit steigen. Im Gegenteil, Arbeitnehmer werden infolge des virtuellen Arbeitens vermutlich sogar eher ausgebremst, weil sie sich zusätzlich mit Videokonferenz-Tools und all den anderen neuen digitalen Kommunikationshelfern auseinandersetzen müssen.

#2 Virtualisierung setzt Einbindung der Mit­ar­bei­ter voraus

Zumal nicht jeder Mit­ar­bei­ter offen für eine reine virtuelle Zu­sam­men­ar­beit ist. Unserer Er­fah­rung nach gibt es unter den Mit­ar­bei­tern diejenigen, die gar nicht remote arbeiten wollen, diejenigen, die gar nicht mehr zurück aus dem Home Office wollen und diejenigen, die mal da und mal dort sein wollen. Auch aus diesem Grund ist es eine betriebswirtschaftliche Fehlentscheidung, das gemeinsame Arbeiten auf Biegen und Brechen in den virtuellen Raum zu verschieben. Denn die Motivation, die Bindung und die Arbeitsergebnisse von eher remote-skeptischen Mit­ar­bei­tern leiden zwangsläufig, wenn sie langfristig auf die Nähe zu ihren Kollegen und die gemeinsam eingeübten Ab­läu­fe verzichten müssen.

Ein Aspekt, den Führungscoach Michael Alznauer im Handelsblatt sehr schön auf den Punkt bringt: „In den letzten Monaten wurden gern Studien zitiert, in denen die Betroffenen ihre Zufriedenheit mit der Arbeit von zu Hause aus bekunden. Nur in den letzten Absätzen begegnen uns (…) warnende Hinweise: Die Entgrenzung von Berufs- und Privatleben ist wohl für viele belastend, der persönliche Austausch mit den Kollegen und Kolleginnen wird vermisst, und nicht wenigen fehlt (…) die gewohnte Struktur.“ Unsere Schlussfolgerung: Damit die „soziale Energie“ und damit die Innovationskraft innerhalb eines Unternehmens nicht verloren geht, bedarf es pass­ge­nauer Arbeitsplatzkonzepte mit analogen und virtuellen Elementen, in denen sich alle wohlfühlen. Diese können jedoch nicht von heute auf morgen umgesetzt werden, sondern brauchen ein tragendes stra­te­gi­sches Fundament.

#3 Unvorbereitete virtuelle Zu­sam­men­ar­beit kann Missverständnisse hervorrufen

Keine Frage. In vielen Fällen hat das Home Office während des ersten Lockdowns gute Dienste geleistet – auch bei adesta. Doch für uns war es zunächst nichts anderes als eine Notfall-Maßnahme, kein finales Arbeitsplatzkonzept. Es zeigte sich auch schnell, warum: Im Frühjahr 2020 waren wir zunächst selbst überrascht, wie gut wir alles hinbekommen. Aber irgendwann spürten wir eine zunehmende Belastung in den Teams.

Zum Beispiel, weil die Anzahl der Videokonferenzen zunehmend als anstrengend empfunden wurde. Oft hakte auch mal die Internetverbindung, Kollegen froren mitten im Satz ein, oder es kam zu Verzögerungen bei der Übertragung. Das erschwerte die Kommunikation erheblich und führte zu ei­nem Gefühl der Ernüchterung.

Was Unterhaltungen außerdem eher unnatürlich macht: Jeder sieht sich in Videokonferenzen selbst. Also überprüfen wir eher unsere Wirkung auf andere, blicken manchmal mehr auf uns als auf das Team und achten nicht mehr auf nonverbale Signale anderer. In Diskussionen nehmen wir Gestik, Mimik und bestimmte Reaktionen nicht mehr wahr, der zielorientierte Austausch leidet und wiederum bleiben Innovationen auf der Strecke.

All diese Er­fah­run­gen haben uns dazu gebracht, das Thema Home Office nach dem ersten Lockdown neu zu bewerten und in der aktuellen Situation unter Einhaltung aller Sicherheitsvorkehrungen zunächst weiter ins Büro zu kommen.

Fazit: virtuelle Teamarbeit benötigt ein erfolgversprechendes Konzept

Damit an dieser Stelle keine Missverständnisse aufkommen: Natürlich können sich Unternehmen auf lange Sicht nicht der zunehmenden Virtualisierung der Arbeitswelt verschließen. Doch Arbeit­geber sollten nicht den zweiten Schritt vor dem ersten gehen und vor allen Dingen nicht die Virtualisierung mit einer gelungenen Digitalisierung gleichsetzen.

Stattdessen haben wir in puncto Digitalisierung für uns die folgenden stra­te­gi­schen Schritte eruiert:

  • Zunächst sollte ausgelotet werden, an welchen Stellen eine zunehmende Digitalisierung Sinn macht und wo nicht.
  • Es sollte in Tools investiert werden, die einen nachweisbaren Effizienz- und Produktivitätsgewinn versprechen.
  • Da die meisten Softwareangebote heute ohnehin aus der Cloud abgerufen werden können, erleichtert die richtige Software langfristig auch die Zu­sam­men­ar­beit in virtuellen Teams.
  • Diese haben jederzeit und an jedem Ort Zugriff auf ihre Fachsoftware und können innerhalb der Anwendung laufende Projekte nahtlos managen – damit ist der Effizienzgewinn Programm und niemand muss sich mit Kompromisslösungen herumärgern.
  • Was die virtuelle Zu­sam­men­ar­beit angeht, bedarf es überdies passender Arbeitsplatzkonzepte, die jedes Unternehmen individuell ausloten muss: Wie viel Virtualität tut Arbeitnehmern gut, wie viel schadet eher?

Außerdem ein ganz wichtiger Punkt für eine gelungene Digitalisierungsstrategie: Mit­ar­bei­ter müssen angemessen auf die virtuelle und digitale Arbeitswelt vorbereitet werden. Remote-Arbeit setzt ein hohes Maß an Selbstständigkeit und das Treffen eigener Entscheidungen voraus, weil sich Mit­ar­bei­ter nicht mehr so häufig wie im Office spontan untereinander abstimmen. Die Art und Weise, wie man virtuell miteinander kommuniziert, ist – wie wir gesehen haben – eine andere. Diese Skills sollten zunächst trainiert werden, bevor man sich in den virtuellen Raum „verabschiedet“.

Für uns steht fest: Eine rein virtuelle Unternehmenslandschaft bei adesta wird es so schnell nicht geben, sicher aber eine virtuellere innerhalb neu ausgeloteter Arbeitsstrukturen und mit vorbereiteten Mit­ar­bei­tern. So macht Digitalisierung Sinn und ist für alle sinnstiftend.

 

Autorin
Susanne Schulz Autorin des adesta-Blogs

Susanne Schulz

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