New Work: Den Beginn einer neuen Ära nicht übers Knie brechen
Die Tür ins New Work Zeitalter steht ein Stück offen. In den vergangenen Wochen konnten wir alle erleben, wie digitales und vernetztes Arbeiten funktioniert. Das ist, was allgemeinhin mit dem Begriff New Work in Verbindung gebracht wird. Aber Vorsicht: Ein bisschen Home-Office macht noch kein New Work. Dazu bedarf es der richtigen Konzepte, Strukturen und digitalen Hilfsmittel. Ganz so weit sind wir aber noch nicht.
New Work – was ist das? Eine Definition.
New Work, dieser Begriff geht auf den austro-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann zurück, der davon ausging, dass die Globalisierung und Digitalisierung massive Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben werden. In der Kombination werden diese Trends zu einer zunehmenden Vernetzung der Arbeitswelt über Zeit- und Ortsgrenzen hinweg führen. In der Konsequenz verändern sich Arbeitszeiten, Arbeitsorte und Arbeitsräume.
Während des Lockdowns haben wir alle eine Ahnung davon bekommen, was Frithjof Bergmann damit meinte. Auch wir bei adesta haben in kürzester Zeit die Arbeit aus dem Office ins Home-Office verlagert. Dazu haben wir zusätzliche Investitionen getätigt, neues IT-Equipment installiert und in Windeseile erlernt, zahlreiche neue Video-Conferencing-Tools zu nutzen.
Außerdem wurden viele weitere Webcams angeschafft, damit wir uns weiterhin sehen können, auch wenn wir kilometerweit entfernt voneinander arbeiten. Quasi über Nacht entstand ein neuer Arbeitsalltag. Videokonferenzen statt Meetings, Remote-Onboarding statt Einarbeitung am Arbeitsplatz und noch so vieles mehr.
Der Trend geht zur Remote Arbeit
Viele Unternehmen haben das ähnlich gehandhabt und stehen nun – wie wir auch – vor der Frage: Wie geht es jetzt weiter? Was bleibt? Was muss überdacht werden? Dass insbesondere wegen der gemachten Home-Office-Erfahrungen vieles anders werden kann, steht außer Frage. Die Beratung EY geht etwa davon aus, dass in den nächsten Jahren bis zu fünf Millionen Angestellte ihren Arbeitsplatz ganz oder teilweise nach Hause verlegen. Damit könnte jeder dritte Büro-Stuhl in Deutschland verwaisen.
Wenn Arbeitgeber Arbeitsplätze verlagern, sparen sie nicht nur teure Büroräume. Sie punkten auch bei ihren Mitarbeitern. Letzteres belegt eine Erhebung von Stepstone, die das Home-Office als das neue Employer-Branding-Tool schlechthin preist. Jeder zweite Beschäftigte wünscht sich eine Flexibilisierung der Arbeitswelt.
Kosteneinsparung und Stärkung der Employer Brand dank Home-Office
Kosteneinsparung und Stärkung der Employer Brand mögen auf den ersten Blick gute Gründe sein, jetzt schnell das Zeitalter der Flexibilität einzuläuten. Vielfach verkaufen Arbeitgeber die entsprechenden Neuerungen direkt unter dem Label „New Work“. Dabei merken sie gar nicht, wie falsch sie damit liegen.
New Work ist nach Frithjof Bergmann nämlich das Ergebnis eines langen Prozesses. Im Mittelpunkt stehen zentrale Werte wie Selbstständigkeit und Selbstleitung des einzelnen und eine maximale Freiheit bei maximaler Teilhabe in der Arbeitswelt. Doch dafür braucht es erstmal die notwendigen Strukturen und Konzepte.
New Work: Noch fehlen die ganzheitlichen Strukturen und Konzepte
Alles andere mündet nur in einem: Überforderung. Und genau diese haben viele von uns in den vergangenen Wochen auch am eigenen Leib zu spüren bekommen. Führungskräfte standen zum Beispiel vor der Herausforderung, dass Leadership etwas völlig anderes ist als E-Leadership.
Es macht doch einen immensen Unterschied, ob man mehrmals täglich Dinge kurz auf Zuruf im persönlichen Kontakt klären kann oder mühsam eine Videokonferenz anberaumen muss, bei der immer mal wieder Gesichter einfrieren oder die Leitung plötzlich abbricht. Die Kommunikation innerhalb vieler Teams hat an so manchen Schnittstellen doch stärker gelitten als man vermuten mag - offensichtlich ist das Telefon kein adäquater „Ersatz“ für die persönliche Begegnung.
New Work: Viele Fragen bleiben offen
Der kurze Flurtalk, die Begegnung an der Kaffeemaschine oder die gemeinsame Mittagspause, all das sind Aspekte, die Teams und ihre Führungskräfte zusammenschweißen. Sie sind der soziale Kitt im Unternehmen. Damit dieser in einer stark virtualisierten Arbeitswelt nicht an Haftkraft verliert, müssen neue Konzepte ausgearbeitet werden.
Das geht allerdings nicht von Jetzt auf Gleich. Es gibt noch so viele offene Fragen:
- Welches Equipment benötigen Mitarbeiter, damit sie im Home-Office nicht nur irgendwie, sondern voll arbeitsfähig sind?
- Wie flexibel sollten Home-Office Tage eingereicht werden können?
- Wie oft sollten Teams vor Ort zusammenkommen?
- Welche Möglichkeiten gibt es, die Mitarbeiter im Home-Office vollumfänglich in Unternehmensabläufe zu integrieren - auch in die informellen, die für den Zusammenhalt so wichtig sind?
- Wie vermeiden Arbeitgeber UND Arbeitnehmer eine „Vereinsamung“ im Home Office?
- Welche Kompetenzen müssen Führungskräfte aufbauen, um virtuelle oder teilweise virtuelle Teams führen zu können?
- Welche Kompetenzen müssen Mitarbeiter aufbauen, um auch im virtuellen Raum eine gute Performance abliefern zu können?
- Welche Personalentwicklungstools müssen hierfür implementiert werden?
- Und: Eignet sich überhaupt jeder Mitarbeiter als virtueller Mitarbeiter oder muss auch hier differenziert werden und wie?
- Genauso: Eignet sich jeder Leader als E-Leader?
Erstmal Erfahrungen hinterfragen
Erst wenn das alles geklärt ist, wird es gelingen, dass Arbeitnehmer in der Welt von New Work ihre eigene Persönlichkeit voll und ganz sinnstiftend in die Arbeit einbringen. Das ist New Work.
Unser Fazit: Arbeitgeber tun jetzt erstmal gut daran, die gemachten Erfahrungen zu hinterfragen und im nächsten Schritt passgenaue Strategien auszuarbeiten. Dann können sie den Hebel in Richtung neue Arbeitswelt umlegen. Langsam und mit Augenmaß. Die Zeit bis dahin sollten sich aber alle Beteiligten nehmen und sich auch gegenseitig geben.