IHK-Wirtschaftsdialoge im Interview mit Susanne Schulz

Ausgabe 5-2023

»ES IST WICHTIG, WERTE IM REKRUTIERUNGSPROZESS FRÜHZEITIG ZU THEMATISIEREN«

Mit einer positiv besetzten Employer Brand (Arbeit­gebermarke) fällt es leichter, Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Dahinter stehen Werte, die in ei­nem Unternehmensleitbild festgeschrieben werden. Gerade bei jungen Bewerber*innen zählt heute nicht allein die Höhe des Gehalts, sondern auch Unternehmens­kultur und eine sinnhafte Tätigkeit, sagt Susanne Schulz, Geschäftsführerin und Inhaberin der Personalvermittlung und -beratung adesta.

IHK: Frau Schulz, welchen Nutzen kann ein Unternehmensleitbild für das Employer Branding und für die Fachkräftegewinnunghaben?
SUSANNE SCHULZ: Zunächst einmal vermittelt ein gutes Leitbild wichtige Werte und zeigt, wofür wir als Arbeit­geber stehen und was wir erwarten. Dadurch können Bewerber*innenschnell erkennen, ob das zu ihren eigenen Werten und Zielen passt, denn das ist enorm wichtig im Sinne der intrinsischen Motivation und der Passgenauigkeit von potenziellen Mitarbeitenden.Ein authentisches Leitbild fördert eine Kultur der Zugehörigkeit und Sicherheit und gibt Orientierung für das Verhalten und die Kommunikation aller Beteiligten – nach innen identifikationsstiftend und nach außen attraktiv positionierend. Das verringert in der Regel die Fluktuation, erhöht die Bindung und zahlt somit auf das Image eines Arbeit­gebers ein.
IHK: Wie bringt ein Unternehmen gegenüber potenziellen Bewerber*innen seine Werte authentisch rüber?
SUSANNE SCHULZ: Zunächst einmal finde ich es unerlässlich,die Unternehmenswerte nicht »nur« zu benennen, sondern auch im Leitbild, auf der Website, in Social Media, in Gesprächen und dergleichen zu beschreiben, wie man sie täglich leben und dadurch die Unternehmens­kultur gemeinsam prägen möchte. Dann ist es meines Erachtens wichtig, das Leitbild und die Werte im Rekrutierungsprozess frühzeitig zu thematisieren, um überhaupt eine Übereinstimmung für eine dau­er­haf­te sinnstiftende Zu­sam­men­ar­beit herausfinden zu können.Gute Rezensionen auf Bewertungsportalen und po­si­ti­ve Ergebnissebei Befragungen sind eine tolle Sache, aber letztlich das Resultat der unter­schiedlichen Begegnungen. Und bei diesen bleibt entscheidend, ob wir vom ersten Kontakt an über das Onboarding und die gesamte Zu­sam­men­ar­beit diese Werte integer und authentisch vorleben.
IHK: Was erwarten heutige Bewerber*innen von ei­nem Arbeit­geber- geht’s nicht doch hauptsächlich um Gehalt und die Sicherheit?
SUSANNE SCHULZ: Die Prioritäten variieren hier nach Alter bzw. Lebensabschnitt, Kultur, Branche und vieles mehr, aber ja,Gehalt und Benefits stehen immer noch bei fast allen Umfragen an erster Stelle. Mittlerweile punkten jedoch häufig Unternehmens­kultur und Betriebsklima sowie Sinnhaftigkeit direkt danach und noch vor der Fle­xi­bi­li­tät (Arbeitszeit und -ort) oder den Wei­ter­bil­dungs­mög­lich­kei­ten sowie Familienfreundlichkeit und Work-Life-Balance. Man weiß auch, dass gerade bei der jungen Generation die soziale und ökologische Verantwortung und Haltung sowie das diesbezügliche En­ga­ge­ment der Unternehmen weit überdurchschnittlich punkten. Sinn, Werte, Nachhaltigkeit und zeitgemäße Rahmenbedingungen stehen in direktem Zusammenhang.

»IDENTIFIKATION UND COMMITMENT VON MITARBEITENDEN STEHEN IM DIREKTEN ZUSAMMENHANG MIT DEN UNTERNEHMENSWERTEN.«

IHK: Wie schrecken Unternehmen ungewollt potenzielle Fachkräfte ab?
SUSANNE SCHULZ: Sehr viele Bewerber*innen schauen sich vor ihrer Bewerbung Arbeit­geberbewertungen wie beispielsweise Kununu an und bewerben sich häufig erst gar nicht, wenn diese negativ ausfallen – beispielsweise, weil nicht werteorientiert gehandelt wird oder das Betriebsklima schlecht ist. Genauso verhält es sich in Bezug auf ein möglicherweise schlechtes Image in der Öffentlichkeit. Ein langsamer oder komplizierter Bewerbungs­prozess oder komplett veraltete Technologien schrecken ebenso ab. Und natürlich im Umkehrschluss zu den bereits genannten wünschenswerten Faktoren negative Aspekte wie beispielsweise unangemessenes Gehalt, unklare Karrierepfade, starre Arbeitsbedingungen, keine Familienfreundlichkeit, zu wenig Weiterbildung oder zu wenig Gestaltungsspielraum.Potenzielle Fachkräfte schauen auf einen durchgängig »roten Faden« in Bezug auf Authentizität und Glaubwürdigkeit – einer unserer Kollegen folgte uns beispielsweise einige Jahre, bevor er sich initiativ bei uns beworben hat.